top of page

2004
Krähwinkels-Sternstunde

Komödie frei nach August von Kotzebue

Tiefste Biedermeierzeit; Spießige Bürgerlichkeit, enge bigotte Sittenstrenge, Borniertheit, Titelwirtschaft, wie sie Carl Spitzweg so trefflich gemalt hat.


Sabine, die Tochter des Bürgermeisters, die in der verruchten Residenz Karlsruhe sich in einen Karl Ulmer verliebt hat, kommt wieder in die Kleinbürgerlichkeit zurück und wartet darauf, dass ihr Karl kommt und um ihre Hand anhält. Es ist höchste Zeit, denn sie soll sich mit Waldemar Sperling, einem älteren, der Poesie verfallenen Mann verloben, den ihr die Familie verkuppelt hat. Den Ausschlag für diese Wahl gaben ein ellenlanger Titel und die große Honorigkeit dieses Herrn Sperling. Besonders die Großmutter von Sabine, sowie ihr Vater und zwei vertrocknete Muhmen (selbst alle mit ehrenwerten Titeln versehen) drängen zu dieser Verbindung, die Sabine natürlich verabscheut!


Karl hält sein Versprechen und taucht „fünf Minuten vor Zwölf“ in Krähwinkel auf. Er verschafft sich Zutritt zur Familie Kannegießer durch das Empfehlungsschreiben seines Ministerfreundes, eines Grafen Durlach-Grötzingen. Die Kannegießers fühlen sich dadurch natürlich höchst geehrt und der hohe Gast wird mit großem Tamtam empfangen – nur getrübt durch die Tatsache, dass dieser nicht den kleinsten Titel hat und nur „Ulmer“ heißt, sich beleidigend ungezwungen und ohne jegliche spießige Steifheit benimmt!


Besonders Großmutter Frederike ist entsetzt über diesen Rüpel aus der Großstadt, zumal er sie nur mit dem schäbigen „Madam“ anspricht. Als sich dann aber fälschlicherweise herausstellt, dass Ulmer der Großherzog ist, der inkognito reist, brechen alle Dämme und „Krähwinkels Sternstunde“ bricht an.


Eine Orgie ehrenden Jubels erfasst Familie und Stadt, die aber flugs wieder zusammenfällt, als die brutale Wahrheit ans Tageslicht kommt. Sabine und ihr Karl, die ihre Beziehung bisher noch geheim gehalten haben, offenbaren nun ihre Heiratspläne vor der Familie, doch dies schmettert in einem Tribunal diesen Plan entrüstet ab, weil Ulmer vorn und hinten nichts hat, vor allem nicht den geringsten Titel. Und da ist ja auch noch der hochehrenwerte Favorit Waldemar Sperling, der alles mit einem blumigen Verslein zu kommentieren pflegt.


Nun sitzt im Gefängnis der Stadt eine „Revoluzzerin“ ein, die gegen Karlsruhe revoltiert hat und den Verlobungstag von Sabine krönen soll. Indem sie öffentlich an den Pranger gestellt wird, hofft Sabines Vater auch auf eine große Belobigung von Seitens des Großherzogs.Die Gefangen bricht jedoch aus und entflieht, sodass er nun als schändlicher Versager dasteht, der über Bürgerschaft und Stadt Makel und Unehr gebracht hat.


Die Angst der ganzen Sippschaft Kannegießer, Ämter und Titel zu verlieren, ist die große Chance für die beiden Liebenden, denn nun bricht ihre kleine Sternstunde an. Ohne Skrupel startet nun Ulmer eine kleine Erpressung, indem er dem Familienclan erklärt, für sie „höheren Ortes“ ein gutes Wort einzulegen, zumal er jetzt endlich auch mit einem Titel herausrückt: „Geheimer Kommissionsrat“! Ohne Umschweife wird jetzt Sperling geopfert – zum „Wohle der Stadt und des Vaterlandes“ wie der Bürgermeister als „politisch Verantwortlicher“ verkündet. Man bietet Sperling als „Notopfer“ zwar noch die mannstolle und noch recht rüstige Muhme Brendel an, doch dieser zieht die Braut „Poesie“ vor und entfleucht. Zurück bleibt ein glückliches Paar, eine zufriedene Sippschaft und vor allem eine Großmutter Frederike, die sich jetzt sogar gerne „Madam“ nennen lässt, weil es ja aus dem Munde eines noblen „Geheimen Kommissionsrates“ kommt.

bottom of page